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Ist Veränderung möglich?

Oder: Wie aus Energieeffizienz bei der NATO “Smart Energy” wurde, wie lange es dauern kann, bis sich ein neues Thema durchsetzt und wie man auf dem Weg dahin Frust vermeidet

Farshad Mohammad-Avvali, Brüssel

Eine Diskussion ueber das Fuer und Wider einer Karriere bei grossen bzw. kleinen Organisationen oder Firmen anzustossen, ist bei aller Wichtigkeit des Themas sicherlich nichts Neues und vielleicht auch nichts Spannendes. Im Endeffekt finden wir uns in der philosophischen Weisheit des “Es kommt ja darauf an, was Du moechtest”. Jedoch bleibt es ein staendiger Begleiter in meinen Gespraechen mit NATO-Menschen: Man koenne bei solch einer grossen Organisation doch nichts veraendern. Sich wirklich effektiv einzubringen sei nur einigen wenigen vorbehalten. Diese Leute sitzen am oberen Ende der Hierarchie.

“Genießt den Weg, Frust bringt meist nichts!”

In diesem Beitrag moechte ich diese Sichtweise diskutieren, und zwar anhand eines Themas welches ich seit Anfang meiner NATO-Zeit bearbeite: Energieeffizienz im Militaer, auch bekannt unter dem feschen Label “Smart Energy”. An diesem Beispiel moechte ich ganz gross fuer den Genuss des Weges werben und gleichzeitig darauf hinweisen, dass Frust ueber das oft im Grauen liegende Ziel meist nichts bringt.

Energiesicherheit: Kein traditioneller NATO-Arbeitsbereich

Mit dem Referat Energiesicherheit bin ich nicht gerade im dem traditionellen Arbeitsbereich der NATO gelandet. Hier geht es weder um Militaertechnologie oder Politikanalyse noch um Nuklearstrategie oder Verteidigungsplanung. Scheinwerferlicht faellt nicht oft auf unsere Arbeit. Selten sieht man unsere Referatsleiter in den 20-Uhr-Nachrichten. Obwohl es nie an hoch spannenden Themen mangelt, werden sie politisch oft nicht prioritisert .

15 Monate Netzwerken, Wissensaneignung, Projektplanungen

Als ich im Maerz 2012 zur NATO kam, war die Diskussion um Energieeffizienz im Militaer recht frisch und blieb meist innerhalb meines Referates. Zusammen mit meiner Kollegin wurde es meine Hauptaufgabe, dieses Thema staerker in den Mittelpunkt zu ruecken. Die naechsten 15 Monate waren gefuellt mit Netzwerken, Wissensaneignung, Projektplanungen, Expertenbeschaffung, Verfassen von Berichten und Artikeln, Aufsetzen eines Onlineportals, Beratungen mit Nationen, Diskussionen ueber die genauere Ausgestaltung des Themas und so weiter.

Und das Projekt steht

Zum jetztigen Zeitpunkt steht das Label “Smart Energy” und das Projekt “Smart Energy Team”. Wir sind acht Experten aus acht Laendern, die nach den besten Smart-Energy-Loesungen suchen. Eine Zeitschrift zu Energiesicherheit bringt eine Sonderausgabe zum Thema heraus und das Onlineportal LibGuide Smart Energy bietet Artikel, Studien und News zu Smart Energy an.

Weshalb der Weg zaehlt…

Trotzdem kann man jetzt nicht wirklich behaupten, wir haetten bis dahin den grossen Coup gelandet. Wir hatten kaum politische Sichtbarkeit erlangt und agierten auf dem allseits bekannten Working Group Level. Unser Ziel der Interoperabilitaet von Smart-Energy-Loesungen liegt noch ganz weit weg und noch kochen alle Nationen schoen ihr eigenes Sueppchen, wenn sie Energie im Militaereinsatz sparen wollen. Nein, wir haben nicht viel bewegt. Ist das nun beklagenswert? Vielleicht, aber…

Schatz an persoenlichen Erfahrungen

Meine persoenliche Erfahrungen, die ich immer noch durch dieses Projekt sammle, sind enorm. So lerne ich nicht nur ein spannendes Fachgebiet besser kennen, sondern kann auf ein fantastisches Netzwerk an sehr interessanten Persoenlichkeiten aus Militaer, Behoerden und Firmen zurueckgreifen. Ich bin live dabei, wie ein Thema an Bedeutung gewinnt und wie andere Akteure mehr und mehr Interesse daran finden.

Entscheidungsprozesse brauchen Zeit

Nein, noch ist der Panzer nicht gruen geworden, noch immer verballern Militaers Unmengen an Treibstoff in Einsaetzen. Fuer mich sind die Lernerfolge jedoch immens und ich faende es schade, dies zu vernachlaessigen, weil Entscheidungsprozesse in einer Internationalen Organisation mit 28 Laendern eben dauern.

Green-Defence-Initiative

Es ist sehr viel wert, ein Projekt von Anfang an begleitet zu haben und die Begeisterung fuer das Ziel auf dem Weg ausbauen zu koennen. Und nun scheinen sogar die Spitze der NATO sowie einige Nationen Smart Energy fuer sich entdeckt zu haben. Litauen und Daenemark fordern vom General Sekretaer eine “Green Defence”-Initiative, die die Ziele des Projektes im vollen Umfang beinhaltet. Eine weitere Beratung in einer Sitzung des Nordatlantikrates scheint durchaus moeglich.

Der Weg als persoenlicher Lerngewinn

Was will ich damit sagen? Eine gruene NATO wird damit sicherlich nicht entstehen, und vielleicht stirbt diese Idee in den Wirren andere Debatten auch ab. Trotzdem sehe ich absolut keinen Grund fuer Frust. In meiner momentanen beruflichen Lage und Position bei der NATO geht es mir nicht darum, den Laden da aufzuraeumen. Vielmehr lerne ich nicht nur Fachliches, sondern auch wo genau meine Staerken liegen. Und wenn das alles die Persoenlichkeit und berufliche Perspektive staerkt, kann ich die Ungewissheit des finalen Ausgangs verkraften. Schauen wir mal, was Anders damit macht, bevor er abdankt.

Mit offenen, unvoreingenommenen Augen

Ich moechte hiermit jeden ermuntern, nicht vorschnell zu urteilen, dass man als Praktikant/Consultant/Berufseinsteiger eh nichts veraendern kann und noch nicht mal die Schraeubchen anfassen darf. Vielmehr sollte man die Chancen nutzen, so viel aus den moeglichen Erfahrungen mitzunehmen, besonders wenn das Team und die Arbeitsbedingungen grandios sind (nochmals, grossen Dank an das Energiesicherheitsreferat der NATO!). Mit offenen und unvoreingenommenen Augen erkennt man Chancen zur Veraenderung zum Besseren sowieso besser. Dies ist kein Egoismus, sondern eine gesunde Bescheidenheit und Offenheit.